„Die perfekte Formel suche ich selbst noch“
Musik ist kein IB-Fach am UWC Robert Bosch College, und doch dürfen sich Schüler:innen seit einigen Jahren über Musizieren mit und Unterricht durch einen Profi-Musiker freuen: Seit 2018 lebt der gebürtige Brite und professionelle Jazz-Pianist mit seiner Partnerin auf dem Campus des UWC Robert Bosch College. Neben diversen musischen Projekten, Kooperationen und Eigenproduktionen leitet er das RBC Orchester seit August 2021 im Rahmen eines Teilzeit-Deputats. Was ihn als Künstler antreibt, warum er Unterrichten so bereichernd findet und wieso er am liebsten Zeit im Schulgarten verbringt, erfahren Sie im Interview.
Will, du bist 2018 als Jazz-Pianist aus der Musik-Metropole London nach Freiburg gezogen.
Wie hast du hier Fuß gefasst?
Es hat ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich mich an die neue Situation gewöhnt hatte. Doch schnell war mir klar, dass ich nicht darauf warten kann, dass sich Möglichkeiten auftun, sondern dass ich sie selbst schaffen muss. So habe ich hier mein eigenes Trio gegründet, das Will Bartlett Trio, mit Tabea Kind und Julian Höferlin. Die Zusammenarbeit erfüllt mich sehr. Außerdem unterrichte ich an den Jazz & Rock Schulen Freiburg und bin seit 2021 Leiter des Freiburger Schüler Jazzorchesters (FSJ). Auch dieses Jahr werde ich wieder mit musikalischen Beiträgen und zum Teil eigenen Arrangements bei der Philharmonischen Gala des Zelt-MusikFestivals (ZMF) dabei sein. Also ja, mittlerweile habe
ich gut Fuß gefasst in Freiburg.
Du bist gleichermaßen als Musiker und Kreativer wie als Lehrer tätig. Was gibt dir das Unterrichten?
Dass ich didaktische Qualitäten besitze, bemerkte ich als Student während einer Musiktour nach Spanien. Wir wurden als bunte Gruppe verschiedener Altersklassen und aus unterschiedlichen Ländern zusammengeworfen; es war etwas chaotisch. Irgendwie bin ich automatisch in die Führungsrolle geraten; es machte mir Spaß zu koordinieren und anzuleiten. Ich bin der Ansicht, dass ich viel von meinen Schüler:innen lernen kann. Für mich existiert Musik immer in einer Art Gemeinschaft, in der es keine Grenzen gibt zwischen Amateur und Profi, Jung und Alt. Für alle ist Musik ein stetes Lern- und Erfahrungsfeld. Über die Musik ist es möglich, junge Menschen für Verantwortlichkeit zu sensibilisieren. Wenn sie sich plötzlich auf der Bühne mit Profi-Musiker:innen wiederfinden, müssen sie Initiative ergreifen, so spielen ‚wie die Erwachsenen‘. Es macht mir große Freude, diese Entwicklung bei Schüler:innen zu sehen und zu fördern.
Musik exisitiert immer in einer Art Gemeinschaft, hast du beschrieben. Welche Rolle spielt Musik am UWC Robert Bosch College?
Musik ist ein wichtiges Element in unserer ‚Community‘. Nun ist es natürlich kein IB-Fach am College – dadurch ist die Zeit, in der auf Musik eingegangen werden kann, beschränkter. Zudem brauchen die Jugendlichen erst einmal Zeit, um sich an das neue Umfeld, das Internatsleben und das anspruchsvolle Currikulum zu gewöhnen – es braucht also Zeit und Geduld, bis sich ein Orchester formiert hat und jede und jeder das richtige Instrument gefunden hat. Das Orchester trifft sich wöchentlich und kann als CAS (Creativity, Activity, Service) dem IB angerechnet werden. Dieses Jahr gab es erstmalig ein klassisches Konzert an der Schule, und wir hatten Auftritte bei der Black Culture Week, beim Spring Day und bei der Abschlussfeier. Ich erlebe, dass das Orchester angenommen wird und immer mehr seinen Platz im Schulleben findet. Am spannendsten ist für mich, wie vielfältig Musik am College gelebt und erlebt wird – das ergibt sich aus den sehr unterschiedlichen Hintergründen der Schüler:innen. Damit richtig umzugehen, auf die Bedürfnisse der Einzelnen einzugehen und das Orchester als inklusiven Ort zu gestalten, macht auf jeden Fall Freude.
Wie würdest Du deine Rolle als Musiklehrer am RBC definieren?
Meine Erfahrungen als Musiker, Lehrer und Komponist erlauben es mir, mit dem zu arbeiten, was bereits da ist und was sich aus derVielfalt der Schüler:innen hier am RBC ergibt, in Bezug auf Instrumente, Menschen, Hintergründe, Formationen. Meine Rolle sehe ich klar darin, die Dinge besser zu machen, als sie ohne mein Zutun wären – sei es bei Auftritten einzelner Schüler:innen bei „Cafes“ oder schulischen Musicals oder eben des Orchesters. Es gibt so viel Engagement und Talent unter den Schüler:innen, und manchmal braucht es nur dieses kleine Etwas. Die Jugendlichen kommen mit sehr unterschiedlichen musischen Vorerfahrungen zu uns – manche haben bereits in Orchestern gespielt, jahrelang Unterricht in klassischer Musik genommen, andere eher freie Formen
der Musik erlernt. Meine Rolle ist es also auch, diese Spannbreite in Balance zu halten. Hier möchte ich Musik möglichst inklusiv gestalten:Wenn Schüler:innen denken: ‚Da passe ich nicht rein‘, dann ermuntere ich sie, genau da mitzumachen. So bringe ich junge Menschen zusammen, die sich vielleicht nicht getraut hätten, etwas Neues auszuprobieren oder nicht zusammen musiziert hätten.
Die perfekte Formel suche ich selbst noch. In jedem Fall habe ich das Vertrauen, dass die Dinge am Ende schon gut werden. Diese Zuversicht gebe ich an die jungen Musiker:innen weiter.
Wenn du nicht in deinem Studio bist, unterrichtest oder auf Tour gehst, verbringst du gerne Zeit in unserem Schulgarten. Während des ersten Corona-Lockdowns 2020 hast du sogar unsere Gärtnerin Eva vertreten. Was bedeutet der Ort für dich?
Der Garten ist für mich ein Ruheort; beim Arbeiten denke ich über die Musik nach, die ich am Morgen komponiert habe oder am Abend spielen werde. Auch pädagogisch finde ich es wertvoll, an der frischen Luft mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und dabei etwas Nützliches für die Schulgemeinschaft zu tun. Und schließlich passt der Garten zu meiner persönlichen Lebensphilosophie: einen ganzheitlichen Zugang zu Nahrung zu entwickeln, im Einklang mit der Natur zu leben und in vielen Bereichen selbstversorgend zu leben. Das alles bietet der Klostergarten.
Will Bartlett wurde 1982 in Oxford geboren. Er studierte Musik am St. Peters College der Universität Oxford sowie Jazz Performance an der Guildhall School of Music and Drama in London. Nach vielen Jahren als selbstständiger Jazz-Musiker und Lehrer in London – Bartlett gründete und leitete das Jazz Department am Hockerill College – ist er 2018 nach Freiburg gezogen. Hier leitet er seit 2022 das
Freiburger Schüler Jazz Orchester, unterrichtet an den Jazz & Rock Schulen Freiburg und gründete 2021 sein eigenes Trio, das Will Bartlett Trio. Gemeinsam mit den Musiker:innen Tabea Kind und Julian Höferlin ist er damit europaweit unterwegs. Desweiteren ist er Teil des Jazz-Trios Acrobat,
stand zum wiederholten Mal als Komponist gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester Freiburg bei der ZMF-Gala auf der Bühne und veröffentlichte jüngst ein Album mit der
britischen Jazzgröße Norma Winstone, das die Gedichte von Philip Larkin musisch wiedergibt.