„Resiliente Systeme können sich verändern“
Dr. Christian Bock hat den akademischen Bereich des UWC Robert Bosch College 10 Jahre lang geleitet. Gemeinsam mit Gründungsrektor Laurence Nodder, Internatsleiterin Dr. Helen White und CFO Thomas Drössel baute er das erste und einzige UWC in Deutschland auf.
Zum Januar 2024 hat er das Zepter für die Bereiche Lehre und IB-Koordination an Emmett Zackheim übergeben und wird zum Herbst 2024 nach Kanada zurückkehren, um dort an der University of Victoria das Center for Teaching and Learning als Director of Curriculum and Innovation zu unterstützen. „Ich freue mich darauf, das am UWC Gelernte in einem anderen Umfeld einzusetzen“, sagt der 48-Jährige, der bereits vor seiner Zeit in Freiburg UWC-Erfahrung am kanadischen Lester B. Pearson College sammelte – erst als Lehrer, dann als IB-Koordinator. Nun geht es von der Schule in den Universitätskontext, der Dr. Christian Bock nicht neu ist: Bereits 2003 bis 2006 arbeitete er als Dozent im Fach Englische Literatur an der Universität Osnabrück sowie 2006 und 2012 an der University of Victoria, wo er auch seine Doktorarbeit zum Thema Gender, Feminismus und Drama absolvierte.
Die neue Rolle sieht er als Herausforderung: „Universitäten stehen angesichts technologischer Revolutionen und weltpolitischer Umbrüche vor großen Herausforderungen; die Lehre stand an Hochschulen nicht immer im Vordergrund. Nun muss sie sich anpassen und verändern.“ Um dies anzustoßen, wird Christian ein Team von 22 Learning Designers und 14 Education Technologists leiten – es geht um Lernen und Innovation, den Umgang mit AI und den Erfolg von Studierenden.
Bereiche, die Christian vertraut sind: Als Director of Studies und IB Koordinator leitete er 10 Jahre lang ein Team bestehend aus rund 30 Lehrer:innen und Pädagog:innen am RBC. 10 Jahre nach der Gründung ist die internationale Schule in Freiburg etabliert – und wurde jüngst in einem Ranking als eine der besten europäischen Schulen aufgeführt. Seit Jahren liegen die IB Durschnittswerte der Absolvent:innen bei ca. 35 Punkten und damit über dem weltweiten Durchschnitt, und das, obwohl die Schülerschaft sehr heterogen ist, im Klassenzimmer ganz unterschiedliche Bildungshintergründe aufeinandertreffen. Wie geht das?
„Bei uns steht akademischer Erfolg nicht im Zentrum. Vielmehr geht es darum, die Einzelnen zu erkennen und zu fördern – die Schülererfahrung steht im Mittelpunkt. Der Glaube der Lehrer:innen an die Schüler:innen, daran, dass sie es schaffen können, ist der wichtigste Erfolgsfaktor.“ Diese Einstellung sei ein Grundpfeiler der pädagogischen Arbeit am RBC und ein großer Motivationsfaktor. Es gehe darum, Schüler:innen zu zeigen, dass Veränderung möglich ist.
„In den letzten 10 Jahren haben wir einen Ort geschaffen, an dem wir uns wohlfühlen und weiter entwickeln wollen. Auch nach 10 Jahren identifi zieren sich Schüler:innen noch mit diesem Ort“, so Christian, der sich daran erinnert, mit wieviel Neugierde und Enthusiasmus er damals vor Schulgründung in seine Aufgabe startete; er denkt an lange Nächte, Übergangsbüros in leerstehenden Schülerhäusern, daran, wie er die ersten individualisierten Stundenpläne der ersten Kohorte Schüler:innen handschriftlich fertigstellte.
In den ersten Stunden galt es vor allem, das RBC in Freiburg zu etablieren. Eine Herausforderung, so Christian: „Es war teilweise ein Spagat, dem deutschen Behördenkontext zu erklären, was ein UWC tut und warum, und gleichzeitig zu versuchen, die Kriterien der deutschen Schulbehörden und des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport zu erfüllen.“ Christian steckte viel Zeit und Herzblut in diese Vernetzungsarbeit: Er lud andere Schulen ein, initiierte Kooperationen, schuf etliche Möglichkeiten zum Austausch – zum Beispiel mit dem Lehrerausbildungsseminar in Freiburg, der Deutschen Schulakademie oder dem Fachbereich Pädagogik der Universität. Mit Erfolg: Das RBC ist nach 10 Jahren aus Freiburg nicht mehr wegzudenken.
Das, so Christian, läge vor allem an den vielen Kooperationen im Service Learning Bereich, die die Schule mit städtischen Einrichtungen vernetze, aber auch an diversen öffentlichen Veranstaltungen oder dem Klostergarten, der unter Eva Schüles Leitung Freiburger:innen in die Kartause zieht. „Ich glaube, dass wir ganz viel von außen lernen können, tolle Lösungen finden, die wir für unseren Kontext anpassen können. Im Gegensatz bieten wir unseren Partner:innen Inspiration, wie man mit Vielfalt umgehen kann.
Austausch ist ein unglaublich wichtiger Teil der Schulentwicklung“, sagt Christian, der zusätzlich zu seiner Arbeit am RBC auch im Bereich Entwicklung für das IB arbeitete und in der Jury des Deutschen Schulpreises sitzt. Austausch schätzt Christian auch mit seinen Kolleg:innen aus dem Management: seiner Büronachbarin Dr. Helen White, mit der er so viel Zeit verbrachte wie mit kaum jemand anderem, mit Laurence Nodder, von dem er das Konzept der persönlichen Sinnstiftung mitnimmt sowie mit Thomas Drössel, der ihm in vielen politischen und strategischen Fragen Sparringpartner war. „Die Zusammenarbeit war so einfach – dafür bin ich unglaublich dankbar. Wir haben uns gut ergänzt, konnten streiten, und wir teilten die Vision einer Schule, die sinnstiftend und handlungsorientert ist. Ein Ort des offenen Dialogs – so wie man sich die Welt eben wünschen würde.“
Für Christian haben sich die RBC-Werte in den letzten 10 Jahren gefestigt: „Wir sind bewusster geworden in unseren Handlungen und in unserer Arbeit, haben Klarheit gefunden, was der UWC-Ansatz für uns ausmacht.“ Und dieser habe sich verändert, weil die Welt sich verändert habe. Er wirkt zuversichtlich, zufrieden – wie jemand, der viel erreicht hat und dies loslassen kann: „Resiliente Systeme können sich verändern. Wir haben gezeigt, dass das RBC sich entwickeln kann, dass wir uns politischen Konflikten stellen können, ohne uns daran aufzureiben.“
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