23. April 2020

„Ich übe mich im digitalen Nachfragen“: Stimmen aus dem Home-Office

Therese Oettl studierte Pädagogik und Sportdidaktik (BA) sowie Transcultural European Outdoor Studies (MA). Am UWC Robert Bosch College leitet sie seit 2018 den Outdoor-Bereich

Seit dem 13. März befindet sich das UWC Robert Bosch College in Selbstisolation; neben den 130 Jugendlichen leben 20 Betreuende mit auf dem Campus. Der Rest unseres Kollegiums arbeitet aus dem Home-Office – ob in der Verwaltung oder als Lehrerin oder Lehrer: das Arbeiten aus der Ferne ist gewöhnungsbedürftig. Wir haben einige Kolleginnen und Kollegen befragt, wie sie das Unterrichten online und das Arbeiten abseits des Internats empfinden. Den Start macht unsere Sozialpädagogin und Outdoor-Koordinatorin Therese, die das College unter anderem durch einen von ihr gegründeten Shopping-Service unterstützt.

 

 

Wie geht es dir mit der Situation insgesamt?

Mir persönlich geht es mit der insgesamten Situation sehr gut. Ich bin sehr dankbar in einem Land zu leben, das weltweit eines der besten Gesundheitssysteme führt und sehr gewissenhaft und überlegt Entscheidungen trifft. Meines Erachtens ist Deutschland eines der wenigen Länder, welches diese Krise nutzen kann, um sich gesellschaftlich neu zu orientieren. Meine Gedanken sind bei den Familien unserer Schülerinnen und Schüler, die in Regionen leben, die sich schwer tun werden, gesundheitlich und wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.

Wie bleibst du mit dem College „in Verbindung“?

Im Vergleich zu meinem normalen Arbeitsalltag ist der Kontakt zum College natürlich sehr limitiert. Dennoch führe ich viele Gespräche einfach digital, was ganz gut funktioniert. Der Schwerpunkt und das „Erfolgsrezept“ meiner Arbeit fällt jedoch zurzeit ins Wasser: Die zufällige Begegnung, die stille Beobachtung, die offene Tür und das Angebot da zu sein – diese Dinge sind nicht gegeben. So kann ich nur auf Situationen reagieren, die explizit mit mir geteilt werden und ich übe mich im digitalen Nachfragen.

Du hast den Off-Campus Shopping-Service gegründet – wie läuft das ab?

Der Servicegedanke ist ein Grundpfeiler unseres Schulkonzepts. Da die Selbstisolation unseren Kolleginnen und Kollegen auf dem Campus mehr Energie, Zeit und persönlichen Raum abverlangt, war schnell klar, dass wir von außerhalb bestmöglich unterstützen wollen. Ein selbstgekochtes Abendessen mit der Familie oder mit der Partnerin / dem Partner hilft unseren Kolleginnen und Kollegen, ein kleines Element des normalen Alltags zu erleben. Somit können sie Energie tanken, um voll und ganz für unsere Schülerinnen und Schüler da zu sein. Auch beliefern wir den neugegründeten Schul-Kiosk, der Hygieneprodukte und Schleckereien führt. Das sind zum einen notwendige Dinge, wie Zahnpasta und Shampoo, aber die ein oder andere Tüte Chips findet auch ihren Weg ins College.

Zum Ablauf: die Kolleginnen und Kollegen auf dem Campus tragen ihre Wünsche in eine geteilte Excelliste ein oder schreiben der zuständigen Person für den kommenden Tag eine E-Mail. Die Einkaufsliste wird jeden Tag aktualisiert und was übrig bleibt landet auf der Einkaufsliste für den nächsten Tag. Ganz am Anfang des Lockdowns und kurz vor Ostern gab es einige Engpässe in der Lebensmittelindustrie, aber mittlerweile können wir fast jeden Tag alle Wünsche erfüllen.

Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Personen der Kollegschaft, die sich tagtäglich mit dem Fahrrad oder dem Auto auf den Weg machen und auch den ein oder anderen schrägen Blick aufgrund der Großfamilienmengen in Kauf nehmen. Glücklicherweise haben wir auch schon viel Solidarität erfahren, wenn wir erzählen, dass wir gerade auf Einkaufsmission für ein ganzes Internat sind.

Welche Aufgaben kannst du außerdem von zu Hause aus fürs College übernehmen?

Da die Arbeitsfelder der Internatspädagogik nicht nur im zwischenmenschlichen Kontakt liegen, kann ich zurzeit verstärkt an strukturellen und organisatorischen Aufgaben arbeiten. Das nächste Schuljahr kommt bestimmt und ein gut ausgefeilter Plan ist schon die halbe Miete für eine gelungene Veranstaltung. Da ich vor allem für die Outdoorevents unserer Schule verantwortlich bin, ist nun ein guter Zeitpunkt, die Jahrgangsveranstaltungen für meist 100 Schülerinnen und Schüler zu evaluieren und Konzepte neu zu überdenken.

Eine Botschaft an die community „drinnen“?

Genießt die Zeit miteinander. Haltet zusammen und bleibt mental stark. Bewegt euch! Der Wille ist der stärkste Muskel des Menschen.

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